Lotusgarten Staffel 1
2020
„Blaue Augen sind vom Aussterben bedroht.
Die exotische Schönheit patrouilliert.
Bitte befolgen Sie die Anweisungen, sofern Sie ausgewählt werden:
Capture the Moment!“
Auszug (und Anweisung) aus der Arbeitsbeschreibung im Info-Faltblatt der Ausstellung
Eine räumliche Installation wird in Kombination mit einer Performance zu einem Spiel zwischen Kunstwerk und Publikum. Den Grundpfeiler des installativen Parts bildet eine Selfie-Point-Station, an dem sich Besucher*innen in einem Barocksessel niedersetzen und vor einer hell erleuchteten und aggressiv wehenden Deutschlandfahne fotografieren können.
Die Station verhält sich im Raum wie eine theatral inszenierte Insel: Sie ist umgeben von musealen Absperrständern und Scheinwerfern. Gleich neben dem Barocksessel ist ein Industrieventilator installiert, der laut dröhnend auf Hochtouren läuft und den Platz nehmenden Besucher*innen penetrant ins Gesicht bläst. Auf dem Sessel sitzend ist für die jeweilige Besucher*in durch das stark blendende Scheinwerferlicht der Außenraum kaum noch wahrnehmbar.
Doch nur auserwählte Personen dürfen sich fotografieren. Ein Tiger pirscht durch den Raum, wittert die Menschen im Publikum und lässt sich bei denjenigen nieder, welche der Wächter des Selfie-Points zu der Station geleiten soll. Er fordert sie freundlich, aber bestimmt auf, ihm und seinen weiteren Anweisungen zu folgen. Er betreut den Selfie-Prozess bis zum Schluss. Der Tiger wacht an seiner Seite und wehrt Menschen ab, die sich der Station zu offensiv nähern.
Der Filmemacher hat eine Kamera in der Hand, die ohne Unterbrechung seine Bilder per Live-Übertragung auf eine große Leinwand im Saal projiziert. Das gesamte Geschehen wird durch seine Kameraarbeit zusätzlich perspektiviert. Die Besucher*innen werden zum Teil eines Geschehens, dem sie sich nicht entziehen können, da der Kamerablick aggressiv forschend agiert und unausweichliche Close-Ups von Menschen zeigt, wie sie gaffen, geiern, sich ekeln, amüsiert schauen oder sich mühsam vor der Fahne fotografieren. Schnelle Zooms auf den Schritt eines Besuchers, auf den Hintern des Tigers, auf den pinkelnden Penis des Wächters, auf die skeptisch dreinblickenden Augenpaare einer Besucher*in sind die Regel.
Ein nationales Symbol wird zum Ausgangspunkt einer Betrachtung von Mechanismen und Konstruktionen von Macht und Identitäten. Der Tiger und der Wächter treten als Einheit auf. Ihr Verhältnis zueinander bleibt unklar, ebenso wie ihre Motive und Absichten, mit denen sie nach außen agieren. Zwang und Freiwilligkeit werden ununterscheidbar, weil auch die Objekte und Handlungen der Vermittlung ambivalent sind: Leine, Film, Kameramann, Selfie, Auswahl und Aufforderung. Die Performance wird von Ambivalenz strukturiert.
Interaktive Installation und Performance in Kooperation mit Leon Michel und Alban Rosenberger
Ausstellungsansicht: TERRITORIEN
15.10.2020 im Zentralwerk Dresden
Kollaboratives Performance-Happening
Fotos: © Karla Krey